Dauerfestigkeitsauswertung: Das Treppenstufenverfahren nach Hück zur experimentellen Ermittlung der Dauerfestigkeit

Führen Sie auch Dauerfestigkeitsversuche durch und werten diese statistisch aus? Dieser Artikel zeigt eine Übersicht über die gängigsten Verfahren und wann diese nach der Wissenschaft (DIN50100 und  Diss. Hr. Müller Link) angewandt werden. Das Treppenstufenverfahren nach Hück wird detailliert beschrieben.

In diesem Artikel lernen Sie,

  • Wie Sie Ihre Dauerfestigkeitsversuche mit dem Treppenstufenverfahren nach Hück planen und auswerten
  • Welche Verfahren es sonst noch gibt
  • wann sich welches Verfahren am besten eignet.

Inhalt

  1. Übersicht
  2. Empfehlungen
  3. Treppenstufenverfahren nach Hück
    1. Randbedingungen
    2. Planung
    3. Versuchsführung
    4. Versuchsauswertung
      1. die Dauerfestigkeit
      2. die Standardabweichung
  4. Auf den Punkt
  5. Weitere Informationen

Übersicht der Verfahren zu Dauerfestigkeitsauswertung

Für die Auswertung der Versuche im Dauerfestigkeitsbereich stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Müller hat in seiner Dissertation Link umfangreich untersucht welche Auswerteverfahren die treffsichersten Ergebnisse liefern. Diese Ergebnisse sind auch in die DIN50100 eingflossen. Untersucht wurde das Treppenstufenverfahren und die Auswertung nach Hück, Maximum Likelihood, Deubelbeiss und Klubberg sowie das Probitverfahren und das Abgrenzungsverfahren.

Bei der Bewertung der Verfahren muss unterschieden werden, ob nur die Mittelwerte σD,50% oder auch die Streuungen (also die Standardabweichungen sσ ) ermittelt werden sollen. Für die Auswertung von Mittelwerten sind alle Verfahren geeignet. Die nötigen Stichprobenumfänge sind überschaubar. Anders sieht dies bei der Auswertung der Streuungen aus. Um hier treffsichere Aussagen liefern zu können, sind die erforderlichen Stichprobenumfänge teilweise sehr hoch.

Empfehlungen

Für die Auswertung der Dauerfestigkeit werden folgende drei Verfahren empfohlen:

  • Das Treppenstufenverfahren mit der Auswertung nach Hück liefert neben einer einfachen und robusten Versuchsführung die zuverlässigsten Ergebnisse bei der Auswertung des Mittelwertes.
  • Das Abgrenzungsverfahren ist insbesondere für die Auswertung von Streuungen bei kleinen Stichprobenumfängen (n < 40) anzuwenden. Im Vergleich zum Treppenstufenverfahren liefert es vergleichbare Ergebnisse bei der Mittelwertauswertung. Die Versuchsplanung ist jedoch aufwändiger.
  • Trotz der schlechteren statistischen Ergebnisse wird außerdem noch auf das Probitverfahren eingegangen, da es eine hohe Verbreitung aufweist.
experimentelle und statistische Auswertung der Dauerfestigkeit nach Maximum likelihood oder Treppenstufenerfahren.

Empfehlung für Verfahren zur experimentellen Auswertung der Dauerfestigkeit

Das Treppenstufenverfahren nach Hück

Das Treppenstufenverfahren ist das am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Auswertung von Versuchen im Bereich der Dauerfestigkeit. Die Versuchsführung und -auswertung des Treppenstufenverfahrens erfolgt in drei Schritten, die in folgender Abbildung dargestellt sind:

  1. Festlegung der Treppenstufen
  2. Versuchsführung inkl. Auswahl des Starthorizontes
  3. Auswertung der Ergebnisse

Die nötigen Randbedingungen

für den Einsatz des Treppenstufenverfahrens sind:

  • Keine, wenn nur die mittlere Dauerfestigkeit ausgewertet werden soll.
  • 40 Prüflinge, wenn auch die Streuung ausgewertet werden soll.
Vier Schritte des Treppenstufenverfahrens nach Hück zur experimentellen und statistischen Auswertung der Dauerfestigkeit

Drei Schritte des Treppenstufenverfahrens nach Hück zur Auswertung der Dauerfestigkeit

Schritt 1: Festlegung der Treppenstufen 

Als erste Laststufe wird häufig die rechnerisch abgeschätzte Dauerfestigkeit σD* gewählt. Die Treppenstufen (oder auch Lasthorizonte) sollen alle den gleichen Abstand zueinander haben. Dieser Abstand wird als Stufensprung d bezeichnet. Da Wöhlerversuche immer im doppellogarithmischen Netz dargestellt werden, bedeutet dies, dass der logarithmische Stufensprung lg(d)  zwischen zwei Spannungsamplituden gleich ist:

lg(d) = lg σa,i - lg σa,i+1 = lg(σa,ia,i+1) = konstant =  lg(σa,iD*)
σa,i = σD* ·  di

mit
i = ..., -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ...
σD* = abgeschätzte Dauerfestigkeit (z.B. mittels FKM-Richtlinie)
d = Stufensprung
σa,i = i-te Laststufe

Wird der Stufensprung zu groß gewählt, dann wird die Aussage zu ungenau, da zu wenige Stufen ausgewertet werden können. Bei einer zu kleinen Wahl des Stufensprungs wird der Versuchsaufwand zu groß. Eine gute Wahl des Stufensprungs ist getroffen, wenn für das Verhältnis aus der zu erwartenden Standardabweichung s zum logarithmischen Stufensprung lg(d) gilt

lg(d) = sσ ≈ 0,03...0,06.

Da die Standardabweichung vor dem Versuch nicht bekannt ist, muss diese aus Erfahrungswerten möglichst gut geschätzt werden. Dazu bieten sich entweder die Werte nach Haibach (vgl. Link) an oder eigene Werte aus vorangegangenen Versuchen.

Durch Einsetzen der beiden Gelichungen ineinander und Umformen kann der Zusammenhang zwischen der Laststufe σa,i und dem Stufensprung d, bzw. der Standardabweichung sσ berechnet werden:

lg(d) = sσ  = lg(σa,iD*)
10sσ = σa,iD*
σa,i = σD* · 10sσ

mit i = ..., -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ...

Schritt 2: Versuchsführung des Treppenstufenverfahrens nach Hück

Der Startwert ist der erste Lasthorizont (die erste Spannungsamplitude), auf dem ein Versuch durchgeführt wird. Dieser kann beliebig gewählt werden. Abhängig vom Ergebnis wird der nächste Lasthorizont gewählt. Handelt es sich um einen Ausfall, dann wird der nächste Lasthorizont um den Stufensprung niedriger gewählt. Trat dagegen ein Durchläufer auf, dann wird auf dem nächst höheren Lasthorizont geprüft (vgl. dazu obige Abbildung). Das Ergebnis ist dann die Treppenstufenfolge.

Eine große Stärke des Treppenstufenverfahrens ist, dass mit beliebigen Startwerten begonnen werden kann. Der Versuch wird sich automatisch um die Dauerfestigkeit zentrieren. Das Verfahren ist also sehr robust. Je näher der Startwert σD* an der wahren Dauerfestigkeit σD liegt, umso weniger Versuche sind nötig. Deshalb lohnt es sich, den Startwert gut zu wählen. Dazu kann entweder auf Erfahrungswerte aus früheren Versuchen zurückgegriffen werden, oder die Dauerfestigkeit wird rechnerisch abgeschätzt. Hier bietet sich beispielsweise die FKM-Richtlinie an.

Schritt 3: Versuchsauswertung

Für die Versuchsauswertung wird die Treppenstufenfolge aufbereitet (siehe obige Abbildung). Zum einen werden am Anfang der Treppenstufenfolge (dem Anschnitt) alle Versuche gestrichen, die bei der weiteren Versuchsführung nicht noch einmal auftreten. Zum anderen wird an das Ende der Treppenstufenfolge noch ein fiktiver Versuch angehängt. Dieser fiktive Versuch ist der Lasthorizont, welcher als nächster geprüft worden wäre. Möglich ist dies, da die Versuchsauswertung nicht nach Ausfall oder Durchläufer unterscheidet.

Alle auswertbaren Lasthorizonte werden aufsteigend nummeriert. Begonnen wird bei dem niedrigsten auswertbaren Lasthorizont ist σa,0 mit i = 0. Für jede der auswertbaren Lasthorzonte wird die Anzahl der Versuche fi gezählt und daraus die Hilfsgrößen F, A und B berechnet:

F = ∑ fi

A = ∑ i · fi

B = ∑ i² · fi

Die Dauerfestigkeit

Die mittlere Dauerfestigkeit σD,50% wird mit Hilfe der Hilfsgrößen F und A nach obigen Gleichungen , dem Stufensprung d sowie dem niedrigsten auswertbaren Lasthorizont σa,0 berechnet:

lg σD,50% = lg σa,0 + A/F · lg d
σD,50% = 10lg σD,50%  = 10lg σa,0 + A/F · lg d  = σa,0 · dA/F

Die Standardabweichung (Streuung)

Um die logarithmische Standardabweichung sσ zu berechnen wird aus den Hilfsgrößen F, A und B nach den obigen Gleichungen eine Hilfsvarianz kH ermittelt:

wenn (F · B - A²) / F² ≥ 0,5, dann: kH = (F · B - A²) / F²
wenn (F · B - A²) / F² < 0,5, dann: kH = 0,5

mit

a = 4,57949 · F-0,88952
b = 7,23555 · F-0,40523

liefert Müller Näherungsgleichungen zur rechnerischen Auswertung der Standardabweichung sσD des Versuches mit der Hilfsgröße F und der Hilfsvarianz kH :

wenn kH = 0,5, dann:  sσD = 0,5 · lg d
wenn kH ≠ 0,5, dann:  sσD = lg d · 10a  · kHb.

In der Originalarbeit von Hück wird ein Diagramm angegeben, welches die auf den logarithmischen Stufensprung lg d bezogene logarithmische Standardabweichung sσD in Abhängigkeit der Hilfsvarianz kH und der Anzahl der auswertbaren Versuche F darstellt. Nach diesem Diagramm sind jedoch einige Versuchsreihen für kleinere Stichprobenumfänge (n < 20) nicht auswertbar. Da diese Stichprobenumfänge bei Betriebsfestigkeitsversuchen auf Grund der hohen Kosten durchaus vorkommen können, wird eine Alternative benötigt. Diese liefert Müller mit der angegebenen Gleichung. Dieser Vorschlag ist für Stichprobenumfänge von 10 ≤ n ≤ 100 sehr treffsicher.

Auf den Punkt:

  • Das Treppenstufenverfahren nach Hück als robustes und einfach anwendbares Verfahren wird besonders empfohlen.
  • Je geringer der Versuchsumfang n ist, umso mehr Aufwand sollte für die Versuchsplanung spendiert werden. Das bedeutet eine möglichst genaue Berechnung der Dauerfestigkeit und eine Schätzung der logarithmischen Standardabweichung. Diese Werte helfen bei der Wahl der Stufensprünge und des Startwertes. Die Dauerfestigkeit wird idealerweise mit Hilfe von Richtlinien wie der FKM-Richtlinie berechnet oder auf Basis von Erfahrungen geschätzt. Die logarithmische Standardabweichung sollte mit Hilfe eigener Erfahrungen oder über die Werte von Haibach oder DIN50100 geschätzt werden.
  • Für die mittlere Dauerfestigkeit σD,50%, liefern alle Verfahren zuverlässige Ergebnisse.
  • Für die Streuung sσD und Stichproben n < 40 wählt man das Abgrenzungsverfahren. Alternativ kann auch mit dem Treppenstufenverfahren nach Hück ausgewertet werden.
  • Für die Streuung sσD und Stichproben n ≥ 40 kann man alle Verfahren wählen.

Weiterführende Informationen zur FKM Richtlinie

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Der Autor:

Hr. Dr.-Ing. Stefan Einbock Gründer und Geschäftsführer der EinbockAKADEMIE sowie Experte für die Betriebsfestigkeit und Zuverlässigkeit.

Bildquelle: Photo by Unsplash (bearbeitet),
Lizenz: CC0 1.0
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